Ii. Unter den Nachfolgern des Augustus. 3
und öffentliche Ehrungen möglichst umging. Somit wußte er reich und arm, Militär und Bürgertum mit Anhänglichkeit an die Staats-lenkung zu erfüllen. Die Reichen trieben in den durch stehende joeere und Flotten gesicherten Gebieten des Mittelmeeres einen blühenden Handel, und ein starkes Polizeiregiment sorgte für Ruhe und Recht. Die Armen Roms fanden durch zahlreiche Bauten lohnenden Verdienst; außerdem wurden den Proletariermassen auch weiterhin Brot und Spiele geboten. Es ging den Armen so gut, daß zahlreiche römische Bürger sich ohne Scheu in die staatliche Armenliste eintragen ließen, die in Rom allein gegen 150000 Almofenempfänger zählte. 3n Massen strömten die Besitzlosen auch fernerhin unter die Fahnen der stehenden Heere, die teils in den Grenzprovinzen Standquartiere innehatten, teils als kaiserliche Leibwache (Prätorianer) in Rom für die Sicherheit des Herrschers sorgten. Nach Ablauf der zwölf bis sechzehn Jahre währenden Dienstzeit erhielten die Soldaten Ver-forgnngsfnmmen.^ Bereits nach Beendigung des letzten Bürgerkrieges hatte Augustus feine Veteranen reichlich beschenkt; er verteilte unter sie Landgüter, ja ganze Städte. Der untergegangene Mittelstand ließ sich freilich trotz der zahlreichen Ansiedlungen nicht wieder ins Leben rufen. Der Sklavenbetrieb stand hindernd im Wege. Immerhin aber erschien der erste Kaiser als ein Begründer neuen Glückes.
Darum hing das römische Volk voll Treue an ihm, dem Verschönerer Roms, dem Bringer des Friedens, dem Schirmer der Gerechtigkeit und dem Freunde der Künste. Unter ihm erlebte Rom seine erste Literaturblüte. Am Kaiserhofe waren die Dichter Virgil (Vergilius) und Loraz (Horattus) gern gesehene Gäste. Ihr Gönner der kunstliebende Staatsmann Mäcenas, erfüllte sie mit warmer Anhänglichkeit an die Monarchie. Horaz feierte Augustus und fein Haus in schwungvollen Oden.
Ii. Unter den Nachfolgern des Augustus.
Die nächsten Nachfolger des Augustus, die jütischen Kaiser, n4— 68 n. Chr.), waren anders geartet. Es waren argwöhnische -i^rannennaturen, die durch zahlreiche Hinrichtungen und Güter-emzrehungen ihre 'Macht bekundeten, den Einfluß des Senats zurück-drängten, göttliche Verehrung für sich beanspruchten und so den Geist der Kriecherei vor der „göttlichen Majestät" großzogen. Der berüchtigtste von ihnen war neben Tiberius, dessen düstere Schilderung tn dem Geschichtswerke des Aristokraten Taeittrs unsere Zeit vielfach gemildert und berichtigt hat, der jugendliche Caligula, dessen Grundsatz hteß: „Mögen sie mich hassen, wenn sie sich nur vor mir
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Extrahierte Personennamen: Augustus Augustus Mäcenas Augustus Augustus Augustus Tiberius Caligula
126
I. Die Renaissance.
suchten mit seiner Lilfe nun allerlei feudale Widerstände zu brechen, und an die Stelle des rechtskundigen Schöffen trat der ihn verdrängende humanistisch gebildete, des römischen Rechts kundige „Jurist", dessen schriftliches, formelhaftes, geheimes Verfahren den von jeher an öffentliche Verhandlung gewöhnten Bürgern und Bauern unverständlich und verhaßt war, wie wir aus Götz von Berlichingens Selbstbiographie ersehen. Nur in einigen Gegenden Norddeutschlands, z. B. in Westfalen, blieben die alten Volks- (Fem-) Gerichte noch längere Zeit bestehen. Auch erhielten sich nach der 1495 erfolgten Reform im Reichs- wie Territorialrechte noch allerlei Überreste altheimischer Sitte; z. B. durfte am Reichskammergericht nur die Äälfte der Richter aus Juristen bestehen; und die Kirche verfuhr nach ihrem kanonischen Recht, wie auch die evangelischen Territorialkirchen sich ihre eigenen Grundsätze schufen. Dagegen atmete das Strafrecht, die berüchtigte »Carolina« von 1532, ausschließlich römischen Geist und blieb trotz der barbarischen Folterjustiz Jahrhunderte hindurch in gemeindeutscher Geltung, bis der Äumanitätszug der Aufklärung einem milderen Verfahren den Weg bereitete. Bezeichnenderweise kennt das humanistische Zukunftsbild, die „Utopie" des englischen Staatsmanns Thomas Morus, keine Juristen, und Satiriker wie Sebastian Brandt, Erasmus u. a. stellen sie unmittelbar mit Raubrittern auf eine Stufe. Leistete doch das römische Recht den auf die Beseitigung ständischer und städtisch-republikanischer Freiheiten gerichteten Bestrebungen gewaltigen Vorschub. Dieser rücksichtslose Asurpationsgeist trat der Zeit am abschreckendsten in der illegitimen Gewaltherrschaft Cäsar Borgias entgegen, dessen Grundsätze der „Fürst" Macchiavellis mit zeitgemäßer Skrupellosigkeit darlegt; der neu erwachte Äumanitätsgeist Friedrichs 11. von Preußen widerlegte sie dann im „Anti-Macchivell". Diese Politik erschien manchem deutschen Territorialherrn im Kampf um die Abrundung und Vergrößerung feiner ^ausmacht vorbildlich, und Florenz wurde nicht bloß zum bewunderten Äeimatlande einer großzügigen äußeren Politik, sondern zur Schule einer realistischen Staatstheorie überhaupt. Bis auf den heutigen Tag bezeichnet man eine Politik, die die Motive ihres ausschließlich nach Macht und Vorteil geizenden Äandelns einzig und allein aus der „Staatsraison" schöpft, als „Macchia-vellismus". Nun war es vorbei mit Augustins Idee vom „Gottesstaat", in dem die irdische Macht als ein Teil der allumfassenden göttlichen Ordnung erscheint, und die an staatsrechtlichen Vorschlägen so reiche Konzilienzeit — man denke an die »concordantia catholica« des Brixener Kardinals Nicolaus von Cues — lernte unter dem Einfluß der Antike die Staatsordnung als ein selbständiges Gebilde
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70
Iv. Die Kreuzzüge.
ein fruchtbarer Austausch auf allen Lebensgebieten. Die Folgen davon spürte zunächst der Nitterstand, der vornehmlich die Kreuzheere füllte. Immer mehr hatten sich die zum Reiterdienst verpflichteten Dienstleute (Ministerialen) des Königs und der Großen von ihren nicht wehrhaften Genossen abgehoben. Das Recht, Waffen zu tragen, gab ihnen eine besondere Stellung und rückte sie näher an ihre Herren heran. In Frankreich war diese Entwicklung schon weiter fortgeschritten, und indem nun durch die Kreuzzüge die deutschen Ritter mit den französischen in enge Berührung traten, bildete sich jenes internationale „höfische" Wesen heraus, dessen edelste Blüte wir in der von Walther von der Vogelweide gepriesenen »zuht und mäze« kennen lernen. Im Dienste der Kirche gebrauchte dieser neue Stand seine Waffen. Dadurch erhielt er gleichsam eine religiöse Weihe; die rauhen Kriegersitten milderte das Rittertum. Das ganze Lebens erfuhr eine Verfemerung, die sich besonders im „Frauendienst" äußerte. Eine Laienkultur konnte sich der geistlichen an die Seite stellen, ja in vielen Punkten sie überflügeln, besonders auf dem Gebiete der Literatur, in der die orientalischen Einflüsse deutlich erkennbar sind.
Überhaupt sind ja die Kreuzzüge besonders für die Entwicklung des abendländischen Geisteslebens folgenreich geworden. Zeigt sich schon in der höfischen Dichtung eine wachsende Gewandtheit in Sprache und Darstellung, so legt auch die lateinische Geschichtsschreibung ein Zeugnis für die größere Beweglichkeit des Geistes ab, die nunmehr neue Formen neben den überkommenen pflegte. Es sind nicht mehr die alten Vorbilder, die sklavisch nachgeahmt werden; man findet jetzt neue Ausdrucksformen. Das lehrt eine Vergleichung zwischen der Biographie Karls des Großen von Einhard, der Konrads Ii. vom Kaplan Wipo und der Beschreibung der Taten Friedrich Barbarossas von Bischof Otto von Freising. Auch in der Baukunst trat neben den feierlich-schwerfälligen romanischen Stil die himmelanstrebende, lebensvolle Gotik.
Der beweglicher gewordene Geist sing aber nunmehr auch an, Kritik am Überkommenen zu üben, selbst an der Kirche. Man verglich die Lage Jesu und feiner Jünger, wie die Evangelien sie schilderten, mit der Lerrf«Herstellung und dem Glanze der Geistlichkeit und des Papsttums. Das Ergebnis war — Abfall und Ketzerei. Daß man anderseits schon hier und da im Ungläubigen den Menschen schätzen lernte, dafür finden sich besonders in Wolframs „Parzival" und im „Willehalm" mancherlei Zeugnisse. Bedeuten somit die Kreuzzüge den Höhepunkt der Machtstellung des mittelalterlichen Papsttums, so haben sie doch auch schon Keime für feinen künftigen Verfall zur Entwicklung gebracht.
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Extrahierte Personennamen: Walther Karls Konrads Friedrich_Barbarossas_von_Bischof_Otto_von_Freising Friedrich Barbarossas Otto
132 I. Die Renaissance.
sonders Selbstbiographien im Stil antiker Rhetoren. Auch die Kleidung, die früher den Vertreter einer bestimmten Gruppe verriet, mußte jetzt individuell sein, und bei Malern wie Bildhauern spielen Körpervorzüge, Mienenspiel, Charakterköpfe und Gestikulationen als Zeugnisse seelischer Vorgänge eine bedeutsame Nolle; man denke an Michel Angelos „David" und „Moses", Leonardos „Abendmahl" und Dürers „Apostel". Wieviel schärfer und individueller die Bewegungen und Züge als bei den gleichförmigen, gebundenen Gattungsexemplaren mittelalterlicher Gotik! Zn der Literatur schoß bei solcher Hervorhebung des Persönlichen neben dem Lobgedicht leicht auch der Spottvers empor, und die bis Brandt ständische Satire nahm nun persönliches Gepräge an; so bei Luther und Murner. Des Einzelmenschen starke und schwache Seiten verbreiteten fliegende Blätter und Holzschnitte.
Angesichts solcher Wertschätzung des Individuellen verblaßten leicht auch die Unterschiede der Geburt und des Standes, und der Thüringer Bergmannssohn konnte zum nationalen Äelden werden. Auch die Frau nahm an dem Wandel teil und trat, wie einst im Perikleischen Zeitalter, wenigstens in den romanischen Ländern, manchmal gleichgebildet neben den Mann, um an der Unterhaltung über Lebensfragen Anteil zu nehmen (Tasso). Zn der neuen „gebildeten Gesellschaft" verfeinerten sich die Sitten, erwachte Freude am sprachlichen Ausdruck, und ein Streben nach Schönheit und Reflexion durchzog das gesamte Leben. Bei solcher Wendung ins Künstlerische schwand freilich vielerorts Religiosität und Moral. Die sittliche Bewertung erschien dem Gebildeten als Vorurteil, an dessen Stelle der Durst nach Ansehen, Schönheit und Macht trat, und die „Staatsraison" erzeugt in Ztalien jene tyrannischen Kraftmenschen, die von der Kunst der Zeit mit besonderer Vorliebe gefeiert werden. So groß wurde in dem ausgeprägt ästhetischen Zeitraum die Selbständigkeit des Schönen gegenüber dem Guten.
Zn Deutschland, wo die Kunst nicht in gleichem Maße das Leben durchdrang, führte die Erschütterung des hergebrachten vielfach zur sittlichen Verwilderung; welch starker Sinnengenuß, von dem auch die Besten der Zeit keine Ausnahme machen, anläßlich der Familien-und Schützenfeste! Obrigkeit und Kirche suchten durch strenge Verordnungen und geißelnde Predigt dem „Teufel" in seinen zahlreichen Gestalten zu wehren, und humanistisch geschulte Volksredner und Volksdichter wie Geiler und Ä. Sachs zogen in Satire und Fastnachtsspiel gegen Luxus und Genußsucht zu Felde. Dabei tritt übrigens die vornehmlich lehrhafte, besonders auf Besserung im Volksleben, in Erziehung und Unterricht gerichtete praktische Art der deutschen Äumanistenkreise anschaulich zutage, die sich im Unterschied von den
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76
V. Das Kaisertum der Lohenstaufen.
dem deutschen Wesen angemessener Art vertieft und umgebildet, so besonders die Grals- und Artussage durch Wolfram von Eschenbach. 3um ersten Male lernte man auf deutschem Boden eine weltfreudige Laienbildung kennen. Eine glänzende Schaustellung dieser ritterlichen Kultur war das große Fest, das der Kaiser Pfingsten 1184 zur Feier der Schwertleite seiner ältesten Söhne in Mainz veranstaltete. Die Blüte des gesamten abendländischen Rittertums scharte sich hier uin den Herrscher. Der Gedanke des mittelalterlichen Kaisertums hat eine glänzendere Verkörperung nicht wieder gefunden.
Noch einen weiteren Machtzuwachs konnte Friedrich seinem Lause verschaffen. Es gelang ihm, seinem Sohn und Nachfolger Leinrich die Land der stzilischen Prinzessin Konstanze, der Erbtochter des Normannenreiches, zu sichern. Damit war dem Papsttum eine kräftige Stütze geraubt, deren es sich in entscheidenden Tagen gegen das Kaisertum hatte bedienen können. Aber diese Erwerbung hat auch neue Kämpfe mit sich gebracht, in denen sich das Staufer-geschlecht verblutet hat.
Als Friedrich so im Vollbesitz der Macht als erster Fürst der Christenheit dastand, kam die Kunde von der Eroberung Jerusalems durch Saladin. Es war Christen- und Kaiserpflicht, den Kampf gegen die Ungläubigen aufzunehmen. Wohlgerüstet und vorbereitet trat unter Friedrichs eigener Führung ein deutsches Ritterheer zu Lande die Kreuzfahrt an, während Franzosen und Engländer die Fahrt zu Schiffe zurücklegten. Die »liebe reise« des deutschen Leeres ging glücklich vonstatten, bis Kaiser Friedrich in den Fluten des Saleph seinen Tod fand. Mit dem Ende des Führers erlosch auch das Glück der deutschen Kreuzfahrer. Die Leilige Stadt konnte nicht wiedergewonnen werden. Doch der Mißerfolg vermochte Friedrichs Nachruhm nicht mehr zu trüben. Sein Tod in märchenhafter Ferne und im Dienste einer großen Sache umgab sein Laupt mit einem romantischen Schimmer. An ihn vor allem wurde gedacht, wenn in trüben Tagen unseres Volkes von alter deutscher Kaiserherrlichkeit die Rede war, wenn auch die Kyffhäusersage zunächst mit der Erinnerung an seinen Enkel Friedrich Ii. verbunden war und erst durch Rückerts bekanntes Gedicht auf ihn übertragen worden ist.
3. Innocenz Iii. und der deutsche Thron st reit.
Leinrich Vi. bewahrte die vom Vater ererbte Machtstellung. In Norddeutschland gewann Leinrich der Löwe wieder Anhang, der durch seine Verwandtschaft mit dem englischen Königshause noch verstärkt wurde. Da fiel König Richard Löwenherz auf der Rück-
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Extrahierte Personennamen: Wolfram_von_Eschenbach Friedrich Friedrich Leinrich Konstanze Friedrich Friedrich Friedrichs Friedrich Friedrich Friedrichs Friedrich_Ii Friedrich Innocenz_Iii Innocenz König_Richard_Löwenherz
122 I. Die Renaissance.
jeher Amtssprache gewesen, und die Schätze althellenischer Dichtung und Philosophie wurden von den byzantinischen Bibliothekaren (Philologen) aus das sorgfältigste gehütet. Durch den erneuten Verkehr zwischen Morgen- und Abendland wurde nun die hellenische Bildung zum zweiten Male nach Italien verpflanzt; nicht nur die Diplomaten brachten Handschriften und andere Schätze mit in die Äeimat zurück, sondern es wanderten auch Tausende von Gelehrten vor den islamitischen Eroberern nach Italien aus und brachten griechische Schriften mit.
Über Italien lagerte sich damals eine durch päpstliche Bullen noch genährte „Ruinensentimentalität". Der Apollo von Belvedere und die Laokoongruppe wurden aufgefunden, und das eifrige Suchen nach lateinischen Urkunden war bereits im vollen Gange. Dazu die griechischen Geistesschätze aus Ostrom! Welcher Fortschritt seit den Tagen Petrarcas, der, ein Zeitgenosse Karls Iv., zwar bereits eine &omerhandschrift besessen, aber die Sprache noch nicht verstanden hatte. Lateinische und griechische Kultur wurden im ersten Eifer als eine Einheit angesehen, und nun begann nicht bloß eine förmliche „Jagd nach echten Quellen" \ sondern es wurde auch das gesamte Bildungsleben Italiens und damit ganz Westeuropas von Grund aus geändert.
Gleich den Spielleuten des Mittelalters und den Sophisten Athens zogen humanistische Lehrer von Ort zu Ort, scharten die vornehme Jugend um sich, erzwangen sich Zugang zu den Universitäten, deren theologisch-kirchliche Verfassung sie dem neuen Geist entsprechend umgestalteten, zu den zahlreichen großen und kleinen Monarchensitzen, z. B. Mailand, Ferrara, Mantua, Florenz, wo sie ein neues Fürstenbildungsideal im humanistischen Sinne schufen. Der gebildete Fürst ist nun nicht mehr der Ritter, sondern der Gönner der Wissenschaften, der „Mäzen" der Künste, wie etwa Kaiser Maximilian oder Alphons von Este (vgl. Goethes „Tasso"), Ariosts Gönner, der in Ferrara das prächtigste Schauspielhaus seiner Zeit errichtete und die Blüte des italienischen Theaters begründete. Die »höveschheit« weicht der Geistesbildung. Auch an den Sitzen der Kirchenfürsten fand der Humanismus Pflege, selbst im Vatikan. Bewußte Opposition gegen die Kirche war ihm ja fremd. An den zahlreichen geistlichen wie weltlichen Äöfen Italiens und Deutschlands, auch in Frankreich und England, entstanden in regem Sammeleifer die Anfänge der weltberühmten, reichen Bibliotheken, z. B. im Vatikan, in Mailand, Wien, Ofen, Paris, London. Auch Patriziergeschlechter
1 Vgl. C. F. Meyers Novelle: „Plautus im Nonnenkloster".
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Extrahierte Personennamen: Karls_Iv. Karls_Iv. Maximilian Maximilian Alphons_von_Este Goethes Ariosts_Gönner C._F._Meyers
Extrahierte Ortsnamen: Italien Italien Italien Ostrom Italiens Westeuropas Athens Mailand Ferrara Mantua Florenz Ferrara Vatikan Italiens Deutschlands Frankreich England Vatikan Mailand Wien Paris London
124
I. Die Renaissance.
gäbe des griechischen Neuen Testaments 1516 und an seine Ausgaben der Kirchenväter, besonders Augustins), schuf er zugleich die Waffen--rüstung der deutschen Reformatoren.
3. Dichtung und Geschichtschreibung, Rechts-, Staatsund Wirtschaftsfragen.
Der Glaube an die Vorbildlichkeit der Antike, besonders der römischen Schriftsteller und Dichter, erzeugte sogar eine neulateinische oder das Latein nachbildende Dichtung, die in den westeuropäischen Staaten, zunächst wiederum in Italien, die Nationalsprachen und die altheimischen Stoffe aus der Literatur vielfach verdrängte. Diese von der Überzeugung der Lehr- und Lernbarkeit getragene konventionelle Renaissancedichtung, die in Deutschland glücklicherweise erst seit Opitz festen Fuß faßte, aber bis zu den Tagen Lessings und Äerders herrschte, bevorzugte die Verwendung von biblischen und antiken Stoffen und Pflegte mit Vorliebe Epos, Drama und Novelle. Ariosts „Rasender Roland" greift zwar auch in die mittelalterliche Stoffwelt hinein, aber der Dichter springt bezeichnenderweise ganz frei mit den Stoffen um. Der in schönen Stanzen schwelgende Renaissancemensch hat an dem Gegensatze von Christentum und Heidentum kein Interesse. Ganz anderen Geist atmet dagegen um 1570 Tassos „Befreites Jerusalem". Auch Tasso lebte, wie Ariost, an dem Mäzenatenhofe in Ferrara. Aber aus seinem den Glauben glutvoll verherrlichenden Epos weht uns bereits der Groll der Gegenreformation entgegen.
Auch das Drama fand am Äofe der Este reiche Pflege. Der Naturfreude der Renaissancedichtung kamen besonders die Äirten-und Schäfergedichte Virgils entgegen, die unter anderem der deutschen Kunst von Opitz bis Goethe Anregung boten. Auch die von der Antike befruchteten Novellenstoffe der Renaissance sind Fundgruben für spätere Jahrhunderte geworden. Außer Sans Sachs und seinen Zeitgenossen haben besonders Shakespeare und Lafontaine daraus geschöpft. Die sormenreiche neulateinische Dichtung hat zwar der einheimischen Verwilderung entgegengewirkt, auch in Deutschland, sie mußte aber absterben, weil sie nicht der Volksseele entwachsen war. Erst unseren großen humanistisch-klassischen Dichtern gelang die fruchtbare Verschmelzung antiker und moderner Kunst.
Ebenso änderte die Geschichtschreibung unter dem Einflüsse der Alten ihren Charakter. Der an Thukydides und Polybios, Livius und Tacitus geschulte Humanist konnte an der naiven, örtlich beschränkten und kritiklosen Darstellungsart mittelalterlicher Chronisten
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I. Die Renaissance. 125
keinen Gefallen mehr finden. Nach antikem Vorbilde gilt es jetzt, Quellen zu sichten und rhetorisch zu schreiben. 1473 wurde in Nürnberg die „Germania" des Tacitus zum ersten Male gedruckt. Das Vorbild der Alten überträgt man auch auf die Stoffe der heimischen Gegenwart und Vergangenheit, und so erwachst eine nationale Geschichtschreibung. So schildert Sleidanus, ein Straßburger Rechtsgelehrter „aus Sleida" bei Köln, in lateinischer Sprache die Vorgänge von Luthers Auftreten bis zu Karls V. Abdankung ; Hugo Grotius erzählt in Tacitus' Art den Heldenkampf seines niederländischen Volkes. Teilweise reden die Verfasser sogar in einheimischer Sprache; so wurde Macchiavellis „Geschichte der Stadt Florenz" mustergültig für die italienische Prosa. In Deutschland traten eine Anzahl älterer Humanisten, unter ihnen der Nürnberger Diplomat und Kriegsmann Pirkheimer, als kritische Bearbeiter und Herausgeber älterer deutscher Geschichtsquellen hervor.
Der an der Antike geschulte Sinn mußte nach und nach der gesamten kirchlich-mittelalterlichen Lebensanschauung gefährlich werden. Eine Zeitlang liefen zwar die neuen Anschauungen unausgeglichen und friedlich neben der kirchlich-dogmatischen her, doch schließlich brach das Alte entwurzelt zusammen. Die allmähliche Untergrabung läßt sich auf deutschem Boden in den verschiedensten Richtungen beobachten, z. B. ant Wandel der Rechtsanschauungen, des Staatsideals, des naturwissenschaftlichen Weltbildes, des philosophischen Denkens und der Bewertung des Menschen.
In der Rechtsanschauung bringt die Renaissance den Abschluß einer Jahrhunderte alten Entwicklung. Hatten sich die deutschen Kaiser von jeher als die Nachfolger der römischen Imperatoren angesehen, auf deren Rechtsboden sich z. B. Barbarossa den italienischen Städten gegenüber stellte, so begannen sie seit den Tagen Petrarcas und Dantes grundsätzlich auf die Antike zurückzugreifen und im Kampfe gegen aufstrebende Kirchen- und Laiengewalten ihre Ansprüche auf das römische Recht zu begründen. Zwar stieß die Anwendung der einer ganz anderen Kulturlage entstammenden römischen Rechtssätze in Deutschland auf Widerspruch und Haß; sie wurden als eine das volkstümliche Rechtsgefühl verletzende Erscheinung empfunden; indessen angesichts der Fülle von Stadt-, Territorial-, Reichs-und Kirchensatzungen, die ein einheitliches Reichsregiment unmöglich machten und auf den Reformkonzilien stets Anlaß zu berechtigten Klagen boten, erschien das fremde Recht immerhin als ein Heilmittel und drang um 1460 zugleich mit dem Humanismus im ganzen Reiche rasch durch. Kaiser wie Territorialherren und ritterliche Barone
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I. Die Renaissance.
133
mehr aristokratisch gearteten Gelehrten des Auslandes gern in derber Volkssprache an die breiten Volksmassen wandten und ihnen in ihrer Sprache den sittlichen Gehalt der Antike nahebrachten. Ein leuchtendes Beispiel für diese Entwicklung bietet der oberfränkische Ritter und Dichter Ulrich von Lutten, in dessen Leben Renaissance und Reformation, lateinische und deutsche Dichtung und Sprache gleichmäßig bedeutsam sind.
6. Zug zur Verinnerlichung; der Faustcharakter.
Inmitten der Derbheit und Sinnlichkeit wurde aber der Freiheitszug der Zeit doch auch wieder zur Quelle fruchtbarer Verinnerlichung in denjenigen Volkskreisen, wo nach dem Verfall der Kirche der nun auf sich selbst angewiesene Mensch in ernster Gewissensnot seine religiösen Anliegen persönlich zu ordnen wagte. Solchen Gemütern konnte die Kunst nichts geben, die neuerschlossene Bibel alles. Luther hat während seines mehrwöchigen Aufenthaltes in Rom weder von Michel Angelos Sixtinischen Deckengemälden noch von Raffaels weltgeschichtlichen Fresken in den vatikanischen Stanzen etwas gesehen oder gehört; sein Äerz war wie das Tausender von dem Sehnen erfüllt, das Dürer seiner „Melancholie" und „dem heiligen Hieronymus" eingehaucht hat. Darum genügte so vielen deutschen Künstlern der Zeit der schlichte Holzschnitt zum Ausdruck dessen, was sie bewegte; Wahrheit, nicht Schönheit steht für sie in Frage. Deutsche Innigkeit, ohne die Luthers Werk unerklärlich bliebe, verrät auch die deutsche Baukunst der Zeit, die bei aller Anlehnung an italienische Vorbilder doch von deutscher Traulichkeit und Enge nicht loskommt.
So fruchtbar aber auch die Verinnerlichung war, zu der die deutsche Renaissance sich vertiefte, so revolutionär und sündhaft erschien den Altgläubigen die Bewegung, der die Kirche des Mittelalters zum Opfer fiel. In ihren Kreisen lebte das Bild Fausts weiter, jenes abenteuerlichen Scharlatans und Zauberkünstlers, der als des „Teufels Genosse" ein schreckliches Ende nahm. Auf ihn übertrugen fromme Gemüter der Zeit und der folgenden Geschlechter mit Eifer uralte Mären von Teufelsbündlern und Zauberern. Unersättliche Genußsucht, freche Verachtung heiliger Überlieferung, über-mütig-dreistes Rütteln an verschlossenen Pforten und Forschen nack den geheimen Naturkräften, Verehrung der heidnischen Antike und andere Laster sagte man dem „schwarzen Gesellen" nach. Protestanten und Katholiken haben im Zeitalter der Orthodoxie (16. und 17. Jahrhundert) gemeinsam über den Teufelsgenossen zu Gericht gesessen und die Fabel gedichtet, die das erste in Frankfurt a. M. 1587 gedruckte
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- 33 —
abräumen muß, bevor man zu dem daruuter liegenden Steinsalz (d) gelangen kann.
Dieses wird gemahlen und als Tafelsalz in den Handel gebracht. Am wertvollsten
sind jedoch die Abraumsalze. Früher warf man sie als nutzlos iveg, jetzt gewinnt
man eine Reihe wichtiger chemischer Produkte daraus, z. B. Salpeter, Pottasche u- a.;
auch siud sie ein ausgezeichnetes Düngemittel. Mit Düngesalzen versorgt Staßfurt
nicht nur ganz Deutschland, sondern auch England und Amerika. 5000 Arbeiter
sind in dem Bergwerk tätig. Unzählige Gänge und ausgedehnte Hohlräume sind
dort unten entstanden. Stellenweise liegen 12 Stockwerke übereinander. Um die
Decken zwischen ihnen zu stützen, läßt man gewaltige Pfeiler stehen.
Entstehung des Salzlagers. An der Stelle des heutigen Salzlagers
befand sich ehemals ein Meerbusen, der bis auf eine schmale Öffnung von dem
offenen Meere abgeschlossen war. Das Wasser des Beckens verdunstete, und der
Salzgehalt desselben setzte sich infolgedessen auf dem Meeresboden ab. Voul Meere
her strömte jedoch immer neues Waffer zu. Da die Verdunstung ungestört ihren
Fortgang nahm, so bildeten sich fortgesetzt neue Salzschichten, und es entstand im
Lause der Zeit ein mächtiges Salzlager- Uber demselben lagerte sich dann eine
undurchlässige Tonschicht (b), die von großer Wichtigkeit ist, weil sonst das Salz
vom Wasser aufgelöst und weggeführt worden wäre. — Die Entstehung eines
Salzlagers in der geschilderten Weise ist gegenwärtig am Kaspischen Meer im (Sang.
§ 39. Staatliche Einteilung. In politischer Hinsicht hat sich in
Thüringen die mittelalterliche Zerspitternng am meisten erhalten. Der
nördliche Teil der Landschaft gehört zur preußischen Provinz Sachsen.
Der südliche Teil umfaßt acht selbständige Staaten, von denen jeder aus
getrennten größeren und kleineren Landstücken besteht. Diese Staaten sind:
1. Das Großherzogtum Sachsen-Weimar,
2. das Herzogtum Sachsen-Koburg Gotha,
3. „ „ „ -Meiningen,
4. „ „ „ -Altenburg,
5. „ Fürstentum Reuß ältere Linie,
6. „ „ „ jüngere Liuie,
7. „ „ Schwarzburg-Rudolstadt,
8. „ „ „ -Sondershausen.
An dem Harz haben Anteil: die preußischen Provinzen Sachsen
und Hannover, das Herzogtum Braunschweig und das Herzogtum An-
halt-Dessau.
§ 40. 1. Das Großherzogtnm Sachsen-Weimar'eisenach besteht aus drei
größeren und verschiedenen kleineren Teilen. Die Hauptstadt ist Weimar an der
Ilm. Hier lebten unter dem kunstsinnigen Herzog Karl August gleichzeitig Goethe,
Schiller, Herder und Wieland. Damals war Weimar der geistige Mittelpunkt
Deutschlands. Schöne Standbilder erinnern an die großen Dichter; das schönste
ist das Doppelstandbild Goethes und Sänllers, die im Leben durch innige Freund-
schaft verbunden waren. Die beiden Dichterfürsten ruhen in der Fürstengruft zu
Weimar. Am Nordende des Thüringer Waldes liegt Ciseuach mit der Wartburg.
Diese war einst die Residenz der Thüringischen Landgrafen. Hier versammelte
Landgras Hermann die berühmtesten Minnesänger seiner Zeit zu einem Wettstreit,
dem sogenannten Sängerkrieg. Auf der Wartburg wirkte auch die hl. Elisabeth,
von deren guten Taten Geschichte und Sage viel zu erzählen wissen. Endlich
wohnte Luther zehn Monate dort und begann hier seine Bibelübersetzung. An der
Saale Jeua, Universitätsstadt, Schlacht am 14. Okt. 1806.
2. Das Herzogtum Tachsen-Koburg Gotha besteht aus zwei Gebietsteilen;
der größere breitet sich am Nordabhang, der kleinere am Südabhang des Thüringer-
waldes aus. Die Hauvtstadt des Landes, Gotha, die durch ihre Prachtbauten die
schönste Stadt Thüringens ist, liegt im nördlichen Teile; die Residenz Kobmg ge-
hört dem südlichen Teile an.
Dilcher-Schwarzhaupt-Walther, Erdkunde. Ausg. A. Z
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